Donnerstag, 21. April 2016

Herr Keuner und ich

Um diesem Blog mal wieder ein wenig Leben einzuhauchen, möchte ich hier mit meinen Gedanken einmal eine Reise zurück in die Deutschstunden der letzten 3 Wochen unternehmen. Bertolt Brecht stand an der Tagesordnung.
Ein äußerst skurriler Künstler und Mensch der, meiner Meinung nach, sehr ansprechende Werke in allen Gattungen der Literatur hervorbrachte. Ich werde nun keine Biografie schreiben, schließlich führe ich einen privaten Blog und keinen Online-Deutsch-Nachhilfe-Kurs (dafür wären meine Kommafehler auch viel zu verheerend), aber ich möchte gesagt haben, dass Brecht 1898 geboren wurde und somit ein paar Jahre später als junger Theatermensch und Schriftsteller mit grundlegend marxistischer Einstellung in Deutschland existiert hat. 1933 entschloss er sich auf eigene Faust, aus offensichtlichen Gründen, aus dem Land zu fliehen und begab sich in ein Exil. Auch während dieser Zeit, die er in diversen Ländern verbrachte, ließ er sich nicht davon abhalten weitere Schriftstücke zu verfassen, selbst zu diesem Zeitpunkt, als in Deutschland seine Werke dem Feuer der Bücherverbrennung zum Opfer fallen.

Brecht verbrachte seine Zeit nicht nur damit an dem Schauspiel "Leben des Galilei" weiter zu werkeln und Gedichte zu schreiben, sondern auch damit, seine (ehemals als Kalendergeschichten gedachte) Sammlung der "Geschichten vom Herrn Keuner" zu vervollständigen. Vor seinem Tod kam er dazu ca. 80 veröffentlichungswürdige dieser interessanten, manchmal parabelhaften, Kurzgeschichten zu verfassen. Von den später gefundenen, ursprünglich weggeworfenen "Züricher" Keunergeschichten soll erstmal keine Rede sein.

Illustration des Herr K. aus der aktuellsten Ausgabe der Sammlung
Der Name der Figur Keuner basiert auf einem Textausschnitt von Homers "Reisen des Prometheus" in welchem der Protagonist einen Kyklopen durch das Verwenden des Namens "Niemand" listig austrickst. Keuner ist also "Keiner", aber wer ist dieser Niemand eigentlich? Der Autor der Geschichten beschreibt ihn mit den Worten "Der Denkende" und das bringt es so ziemlich auf den Punkt. Der gute Herr tritt entweder, vertretend für die Allgemeinheit, als "Herr K." auf oder auch, oft unter Einbezug Brechts subjektiver Meinung, als "Herr Keuner" und somit ein einzelnes Individuum.
Nunja, bisher klingt das da oben wie trockenes Theoriegelaber das man tagtäglich von vielen Professoren oder Lehrern an den Kopf geworfen bekommt. Was ist also eigentlich die Sache daran, die mich selbst so fasziniert?

Um die Frage kurz und knapp zu beantworten: Es sind die Gedankengänge die Brecht in die, oft nur wenigen, Zeilen einbaut.
Um es etwas ausführlicher zu machen: Der Autor der "Dreigroschenoper" entwickelte die Theorie des epischen Theaters und somit auch das Bild des aktiven und vor allem denkenden Zuschauer. Er erwartet, dass seine Werke nicht nur "angeglotzt" werden, sondern auch überdacht. Natürlich findet sich diese Einstellung nicht nur in seinen dramaturgischen Werken wieder, sondern auch in den belletristischen, insbesondere eben in den Keunergeschichten. Diese erscheinen am Anfang oft konfus und abstrakt, jedoch steckt hinter ihnen oft viel mehr als es sich beim erstem Lesen erahnen lässt. Die Gedankengänge des Autors sind nicht einfach nach zu verfolgen und ich kann mir gut vorstellen, dass man sich in einer eventuellen Prüfungssituation die Haare rauft, wenn man im Angesicht einer Geschichte des Herr K. steht. Jede einzelne der Kurzgeschichten zeigt ein anderes Szenario, zielt auf ein anderes Thema. Somit deckt Brecht mit seiner Sammlung ein breites Spektrum von Gesellschaftskritik über Religion bis hin zu grundlegenden philosophischen Fragen ab.
Ich finde es jedesmal aufs Neue interessant die Geschichten zu lesen und zu versuchen hinter das zu kommen, was sich Brecht beim Verfassen gedacht hat. Ich vermute, ich bin die einzige in meiner Klasse die wirklich dermaßen begeistert von seinen literarischen Werken war, dass sie es nun auf einem öffentlichen Blog mit fremden Menschen teilt. Zum Abschluss möchte ich meine liebste Keunergeschichte einmal hier hineinwerfen:


Herr Keuner und die Zeichnung seiner Nichte
Herr Keuner sah sich die Zeichnung seiner kleinen Nichte an. Sie stellte ein Huhn dar, das über einen Hof flog. “Warum hat dein Huhn eigentlich drei Beine?” fragte Herr Keuner. “Hühner können doch nicht fliegen”, sagte die kleine Künstlerin, “und darum brauchte ich ein drittes Bein zum Abstoßen.”"Ich bin froh, daß ich gefragt habe”, sagte Herr Keuner.

Ich habe nicht geplant eine Interpretation vorzunehmen und hoffe mal, dass sich die aufmerksamen Leser selbst Gedanken darüber machen, was sie zu bedeuten hat und wie sie zu interpretieren ist.

Ich hoffe mal, dass ich euch auch ein wenig für die Keunergeschichten Brechts begeistern konnte und selbst wenn nicht, dann Dankeschön für das Ertragen meiner Schwärmerei und das aufmerksame Lesen bis zum Ende.
Bis zu meinem nächstem Post!
Lara~

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen